der nächste Mittwoch ist gekommen und damit auch wieder unsere Aktion #AutorundBuch.
Ich möchte euch jetzt ein Buch der Autorin ein wenig näher vorstellen. Und zwar gehts hier um Zweite Chance – John.
Im folgenden für euch das Cover und ein paar kleine Eckdaten.
Habt ihr noch Lust auf eine Leseprobe? Ja? Sehr gut, denn Isabella hat uns eine zur Verfügung gestellt.
Erstes Kapitel
Mit einem lauten Knall schließt sich hinter mir das Tor der JVA Ossendorf. Ich stehe alleine im Nieselregen und blicke hinauf in den wolkenverhangenen Himmel. Der Parkplatz vor mir ist menschenleer, vereinzelt parken Autos darauf. Ich habe nicht wirklich erwartet, dass mich jemand abholen würde, aber als ich so allein vor dem Tor stehe, ruft die Situation dann doch ein bedrückendes Gefühl in meiner Brust hervor.
Ich streiche mir das mittlerweile etwas zu lang gewordene braune Haar zurück und taste in den Taschen meiner schwarzen Lederjacke nach meinen Zigaretten. Nachdem ich mir eine angesteckt habe, schultere ich die Tasche mit meinen Habseligkeiten und mache mich auf den Weg in Richtung Bushaltestelle. Mein erster Weg führt mich zur Werkstatt meines Onkels, bei dem ich auch vor meiner Zeit im Gefängnis bereits gearbeitet habe. Es handelt sich um den Bruder meiner Mutter, zu dem ich schon immer ein sehr gutes Verhältnis hatte. Auch in der Zeit, in der meine Mutter mit mir verzweifelte, hat er immer hinter mir gestanden. Er war für mich so etwas, was einem Vater am nächsten kam, nachdem dieser das Land verließ, als ich noch ein kleines Kind war.
Als ich kurze Zeit später in der Werkstatt eintreffe, entdecke ich meinen Onkel, der sich gerade in den Motorraum eines alten Volvo beugt.
„Na was meinst, du kriegst du die Karre wieder hin?“ Der ältere Mann mit dem grau-melierten Haar und völlig ölverschmierten Klamotten erschreckt sich so heftig, dass er sich laut den Kopf an der Motorhaube stößt. Ein lauter Fluch ist zu hören, während er sich aufrichtet, doch sobald er mich entdeckt breitet sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus.
„John! Du bist wieder draußen! Wieso hast du denn nichts gesagt mein Junge, ich hätte dich doch abholen können.“ Mittlerweile steht er vor mir und drückt mich zur Begrüßung einmal kurz in seine Arme und klopft mir dabei väterlich auf den Rücken. Ich erwidere die Umarmung und sauge für einen Moment die Atmosphäre, die hier herrscht, in mich auf. Die Werkstatt ist schon immer eine Art zu Hause für mich gewesen. Unzählige Stunden habe ich hier verbracht, auch lange bevor ich damit begann, so meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Schon als kleiner Junge hat mein Onkel Eddie mich hierher mitgenommen und damals bereits damit begonnen, mir alles beizubringen, was er über Autos wusste. Er hat nie eigene Kinder gehabt und ich bin immer wie ein Sohn für ihn gewesen, mit dem er zusammen an den Autos geschraubt hat und somit fast seine gesamte Freizeit mit mir verbrachte.
Als ich damals verhaftet wurde und hoch und heilig schwor, dass ich mit dem Raub nichts zu tun hatte, sondern nur da war, um ihn zu verhindern, hatte mir das niemand geglaubt, selbst meine eigene Mutter nicht. Eddie war der Einzige gewesen, der mich regelmäßig im Gefängnis besuchte und mir ohne Bedenken glaubte. Doch leider konnte auch er mir nicht aus der Geschichte heraus helfen. Meine damaligen Kumpels, die ich für Freunde hielt, hatten mich verraten, um selber aus der Nummer herauszukommen und waren damit erfolgreich gewesen. Ich bin damals, als der vermeintliche Kopf der Bande, für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis gewandert, während der Rest mit kurzen Bewährungsstrafen davonkam.
Ich konnte von Glück sagen, dass mein Onkel mittlerweile noch weitere Angestellte in der Werkstatt hatte, da der Laden gut lief, sodass er auch ohne meine Hilfe auskam.
Mindestens genauso froh bin ich aber darüber gewesen, was er mir bei seinem letzten Besuch mitgeteilt hatte. Die gute Nachricht war, dass ich nach dem Gefängnis wieder bei ihm arbeiten könnte und er mir außerdem noch eine kleine Wohnung besorgt hat.
Zu dieser mache ich mich jetzt auf den Weg. Sie liegt genau wie die Werkstatt meines Onkels in Ehrenfeld, einem Kölner Vorort, der nicht weit, aber hoffentlich weit genug entfernt von meiner alten Heimat liegt.
Das Haus scheint, den Fenstern nach, aus acht Wohnungen zu bestehen, also kein Vergleich zum Ghetto in Chorweiler. Als ich das Treppenhaus betrete, riecht es direkt nach Putzmitteln und es sieht auch genauso sauber aus, wie es duftet. Ich muss lächeln, als mir bewusst wird, dass so eine Kleinigkeit schon bewirkt, dass ich mich wohl und zu Hause fühle. Man könnte meiner Mutter viel Böses nachsagen, aber sicher nicht, dass sie ihre Wohnung nicht ständig sauber gehalten hätte. Beim Gedanken an sie geht es mir echt beschissen, aber das ist eine Sache, um die ich mich ein anderes Mal kümmern werde. Erst mal muss ich mein eigenes Leben auf die Reihe bekommen und diese Wohnung hier, ist der erste Schritt dahin.
Ich laufe die Treppen hinauf, nach Aussage meines Onkels soll meine Wohnung in der zweiten Etage sein. Im ersten Stock öffnet sich eine Türe und eine ältere Dame mit Lockenwicklern in den Haaren schaut durch den Türspalt. Als sie mich sieht, beginnt sie zu strahlen. „Michael da bist du ja endlich“, sagt sie freudig. Ich drehe mich um, um zu sehen ob noch jemand hinter mir die Treppe hinauf gegangen ist, aber ich bin tatsächlich alleine. „Sie müssen mich verwechseln, mein Name ist John und ich bin der neue Mieter aus dem zweiten Stock“, sage ich zu ihr und lächle sie extra freundlich an. „Ach Michael treibst du schon wieder deine Scherze mit mir. Aber wo hast du denn die Einkäufe? Ich habe doch gesagt, du sollst zum Aldi gehen und mir Milch besorgen, jetzt mach aber mal voran. Bis gleich!“, sagt sie und schlägt die Tür wieder zu. Ich stehe noch etwas verwirrt auf dem Treppenabsatz, muss aber dann grinsen und mache mich auf den Weg in den zweiten Stock. Dort komme ich dann auch tatsächlich ohne weitere Verwechslungen oder Zwischenfälle an und schließe gespannt die Tür zu meiner neuen Wohnung auf.
Zweites Kapitel
Seit einigen Tagen lebe ich jetzt in meiner neuen Wohnung und habe auch meine Arbeit in der Werkstatt wieder aufgenommen. Mit meiner Mutter habe ich mich noch nicht getroffen, laut meinem Onkel weiß sie aber, dass ich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Da sie aber auch noch keine Anstalten gemacht hat, mich zu kontaktieren, bilde ich mir ein, dass ich mir damit auch noch Zeit lassen kann. Zumindest kann ich so mit dieser Sache besser umgehen.
Gerade habe ich es mir, nach einem langen Tag auf der Arbeit, in meinem Wohnzimmer auf der Couch gemütlich gemacht und den Fernseher eingeschaltet, als ich lautes Getöse aus dem Treppenhaus höre. Es klingt danach, als sei jemand gestürzt oder etwas Schweres heruntergefallen.
Ich reiße meine Tür auf und muss mich kurz sammeln, als ich erkenne, was sich da vor mir abspielt. Dann lehne ich mich amüsiert an den Türrahmen.
Vor mir auf allen vieren befindet sich eine junge Frau, die offensichtlich ziemlich betrunken versucht, ihre riesige Handtasche vom Boden aufzuheben und gleichzeitig wieder auf die Füße zu kommen, was ihr augenscheinlich die mörderhohen Pumps, die sie trägt nicht gerade erleichtern. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, was aber auch nicht weiter schlimm ist, denn die Dame hat meine Anwesenheit noch gar nicht bemerkt. Zu sehr ist sie auf das Sortieren ihrer Füße konzentriert, wobei sie immer wieder flucht wie ein Seemann, was sich allerdings irgendwie polnisch anhört, aber sicher kann ich mir da auch nicht sein.
Nachdem sie aber auch beim gefühlt zehnten Anlauf wieder auf ihre Knie zurückkracht, kann ich mir das Spiel nicht mehr mit ansehen. Ich gehe einen Schritt auf sie zu und greife nach ihrem Arm, um sie zu stabilisieren, da sie es gerade anscheinend in die Senkrechte geschafft hat. Als sie mich erblickt, fällt die Handtasche mit einem lauten Knall wieder auf den Boden zurück. Schade und das wo sie es doch fast geschafft hatte. Als sie droht ihrer Handtasche zu folgen, greife ich etwas fester zu.
„Hoppla“, kommt es mir über die Lippen und auch jetzt kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und hebe parallel ihre Tasche vom Boden auf. Sie schaut mich einen Moment verwirrt an, zumindest glaube ich, dass sie mich anschaut, ihre Augen können mich nicht recht fixieren. Die Kleine hat echt ne Menge intus. Kurze Zeit später weicht ihre Verwirrung einem Lächeln und sie schmiegt sich an mich.
„Guuht dassu dah bissss. Die verdammse Handassche willden Schüsssel einfach nich heeergäbn!“, lallt sie und pustet mir dabei eine astreine Alkoholfahne entgegen. Ich rümpfe leicht die Nase und versuche mir ein Lachen zu verkneifen.
„Ja das sind mitunter echt fiese Biester diese Taschen, davon habe ich auch schon gehört, aber jetzt bin ich ja da.“ Wieder lächelt sie mich an und probiert sich dabei eine Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht zu pusten. Das gelingt ihr nicht so wirklich gut und als sie versucht, dafür ihre zweite Hand zu nutzen, mit der sie sich gerade noch an der Wand abgestützt hatte, kommt sie wieder bedenklich ins Schwanken und rettet sich dann schnell wieder in meine Arme.
„Dasssiss alls so wacklich hier raussssen lasss unssschnelll reinehen.“ Sprach es und marschierte mit wankenden Schritten an mir vorbei in meine Wohnung. Ich schüttle mit dem Kopf und schließe meine Tür, um ihr zu folgen.
Im Wohnzimmer bleibt sie so plötzlich stehen, dass sie wieder bedenklich ins Straucheln kommt. Mit einem großen Schritt bin ich hinter ihr und halte sie.
„Scheisssse was hasssu gemacht? Du hasssi Mööbl ummmmgestellt“, stellt sie fest, während sie wild mit ihrer Hand durch die Luft fuchtelt.
„Süße, das könnte daran liegen, dass es meine Wohnung ist, in der du gerade stehst“, sage ich immer noch hinter ihr stehend und halte sie auch weiter fest, als sie sich schwungvoll zu mir umdreht.
„Hassmir die Wooohhhnung wäggenommmn?“, fragt sie sichtlich verwirrt und drückt mir ihren Zeigefinger gegen die Brust.
„Nein das nun nicht gerade. Ich kenn dich zwar noch nicht, aber ich denke mal, dass du nebenan wohnst und wenn du möchtest, bringe ich dich gerne rüber, dann wirst du sehen, dass in deiner Wohnung noch alles an seinem Platz steht. Ich bin übrigens John“, lächele ich sie an. Da man ja jetzt schon so lange Zeit in trauter Umarmung verbringt, kann man sich ja mal vorstellen.
Jetzt habe ich sie wohl endgültig verwirrt. Sie schaut mich mit großen blauen Augen an und scheint darüber nachzudenken, was ich ihr soeben gesagt habe. Gerade als sie den Mund öffnet, um etwas zu sagen, hält sie dann doch inne, wahrscheinlich hat sie es im selben Moment wieder vergessen und dreht sich abrupt von mir weg.
„Schmusss misch hinsäzn“, nuschelt sie, macht einen Schritt nach vorne, wo sich dann auch glücklicherweise das Sofa befindet und lässt sich darauf fallen. Sie legt sich auch direkt hin und kuschelt ihr Gesicht ins Sofakissen. So viel zum Thema hinsetzen.
Ich warte einen Moment, aber sie regt sich nicht mehr. Ein wenig erstaunt bleibe ich vor ihr stehen und schaue sie an. Sie hat tatsächlich soviel getankt, dass sie nicht checkt, dass sie gerade bei einem völlig Fremden in der Wohnung liegt. Ich schüttle mit dem Kopf und hocke mich vor das Sofa. Dabei schlägt mir ihr Duft in die Nase. Sie riecht wirklich verdammt gut, von der leichten Fahne mal abgesehen. Soll ich sie jetzt hier liegen und pennen lassen? Ich beschließe, erst mal zu prüfen, ob sie tatsächlich schläft und rüttle ihr leicht an der Schulter. Sie schlägt auch prompt die Augen auf und blickt mich verwirrt an.
„Wäär bissn duu un wass machsu in meina Wohnung?“ Ich verdrehe die Augen, nicht schon wieder diese Leier. Kurz drauf fallen ihre Augen aber schon wieder zu und sie beginnt tief und gleichmäßig zu atmen.
Etwas ratlos blicke ich sie an. Sie sieht echt verdammt gut aus und fällt tatsächlich in mein Beuteschema, wenn es denn so etwas gibt. Ich nehme die Decke von der Sofalehne und breite sie über ihr aus. Sie scheint tief und fest zu schlafen. Ich streiche ihr noch eine Haarsträhne aus dem Gesicht und stehe auf. Ist ja echt rührselig, wie ich drauf bin. So kenne ich mich gar nicht und nach fast drei Jahren Knast, hätte ich das auch nicht von mir erwartet, aber auch ich kann mich scheinbar noch überraschen.
Okay ich bin auch vor meiner Verhaftung kein Riesenarsch gewesen, obwohl es bestimmt Frauen gibt, die das behaupten würden. Ich bin mir meiner Wirkung auf die Damenwelt sehr wohl bewusst und habe immer gewusst, diese zu meinem Vorteil einzusetzen, wenn es drauf ankam. Natürlich bin ich nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, aber ich habe immer fair gespielt. Wenn ich nur auf Sex aus war, habe ich das auch immer so kommuniziert. Ob das den Mädels dann so in den Kram passt, war ja dann nicht mehr mein Problem. Natürlich hatte es öfter den Fall gegeben, in dem die Frauen dachten, dass ich nach einer heißen Runde durch die Betten meine Meinung geändert hätte, dies konnte man dann aber durch ein baldiges Verschwinden, ohne das Austauschen von Telefonnummern wieder richtigstellen.
Die Situation hier in meinem Wohnzimmer überfordert mich immer noch ein wenig, ich beschließe sie aber jetzt erst mal so hinzunehmen. Ich hole mir ein Bier aus dem Kühlschrank, setze mich in den Sessel und starte die DVD, die ich eben eingelegt hatte.
Ungefähr nach der Hälfte des Films kommt Bewegung in meine Besucherin. Sie strampelt sich die Decke vom Körper und gibt dabei seltsame brummende Geräusche von sich. Ich schaue ihr dabei interessiert zu, und bin gespannt was als Nächstes passiert. Sie schüttelt sich die Pumps von den Füssen, die polternd auf den Boden fallen. Trotzdem scheint sie nicht wirklich aufzuwachen, ihre Augen sind auch noch geschlossen. Dann staune ich nicht schlecht, denn sie beginnt sich völlig ungelenk ihr Glitzertop über den Kopf zu ziehen. Als ich gerade denke, sie wird sich damit strangulieren, hat sie es geschafft und zum Vorschein kommt ein sexy schwarzer Spitzen-BH.
Jetzt wird mir doch etwas warm und ich trinke schnell noch einen Schluck von meinem Bier. Mein Gast hat scheinbar das Übel entfernt, dass ihren Schlaf gestört hat und liegt schon wieder ruhig atmend da. Ein wenig ratlos schaue ich sie mir an und versuche die aufkommenden Gedanken in meinem Kopf zu stoppen. Die Kleine ist völlig hinüber und ich überlege, über sie herzufallen. Das wäre auch nach drei Jahren Knast, nicht zu entschuldigen. Ich stehe auf, um mir ein neues Bier zu holen, in der Hoffnung, dass mich das etwas abkühlt und ich mich dann wieder auf meinen Film konzentrieren kann. Als ich am Sofa vorbeikomme, ziehe ich die Decke wieder über ihren Oberkörper und atme einmal tief durch. So müsste es gehen.